Neue Horizonte (anonym)

Leben ohne Alkohol

“Mit meinem Bericht möchte ich allen Mut machen, die sich schwer tun, vom Alkohol loszukommen.
Mein Weg war lang, bis ich so tief gekommen bin, dass ich es nicht mehr aus eigener Kraft schaffte, vom Alkohol loszukommen. Er hatte Macht über mich. Ich merkte den Alkohol nicht mehr als Genussmittel zu kosten, sondern als Helfer in meinen größeren und kleineren Nöten zu gebrauchen. Er war kurzfristig mein Freund geworden. Meine Komplexe und Ängste, unter denen ich litt, wurden weniger. Ich konnte besser reden und war mutiger. Der Alkohol hob meine getrübte Stimmung, hatte mich sorgloser gemacht. Er hatte mich stärker gemacht, als ich war, bis ich psychisch und physisch abhängig war.

Gott sei dank habe ich durch den Alkohol nie einen Menschen gefährdet oder körperlich verletzt und bin nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten.Als ich so weit war, nicht mehr leben zu wollen – mein Plan, wo und wie ich mein Leben beenden wollte, stand fest – wurde ich von meinem Arbeitgeber auf mein Trinkverhalten angesprochen. Es kam zu einem Gespräch mit der Pflegedienstleitung, der Stationsleitung und Herrn Heiner von der Beratungsstelle sowie Frau Herrmann, zu der ich großes Vertrauen habe. Es wurde alles in die Wege geleitet: Entgiftung und eine Langzeit-Therapie.Wenn ich zurückschaue, war es eine große Erleichterung, als ich angesprochen wurde. Schluss mit dem ewigen schlechten Gewissen, mit dem Lügen und Schauspielern! Ich ließ alles mit mir geschehen, kam mir vor wie eine Marionette. In mir schrie alles nach Hilfe. Es ging mir körperlich so schlecht, dass ich nicht einmal meine geplante Selbsttötung durchführen konnte.

In der Langzeit-Therapie lernte ich wieder, an mich zu glauben. Ich wurde ernst genommen, mein Selbstvertrauen wuchs wieder. Ich lernte wieder, zu lachen und mich zu freuen. Dies schaffte ich alles ohne unterstützende Medikamente. In den Einzel- und Gruppengesprächen staunte ich, wie viele gespeicherte Verletzungen und Ängste ich in mir trug. Durch all dies Erlebte, dieses fürchterliche Tief hätte ich nie die Möglichkeit gehabt, vieles über mich zu erfahren – Dinge meines Ichs, die ich selbst bis dahin nicht ergründet hatte. Nach der Langzeit-Therapie war ich noch längere Zeit in einer Gesprächstherapie sowie in einer geführten Frauengruppe. Da habe ich gelernt, mich zu wehren. Ich war richtig hungrig die Welt wieder zu entdecken.
Ich besuche seither einmal wöchentlich eine Selbsthilfegruppe (Kreuzbund). Das ist eine sehr gute Einrichtung, die ich nicht missen möchte. Es werden Seminare angeboten, durch die ich weiterkomme und viel lernen kann. Ich bin nicht allein mit dem, was ich durchgemacht habe. „Eine Therapie ist wie das Öffnen eines neuen Horizonts“ (Zitat eines Betroffenen).

Ferner besuche ich seit der Langzeit-Therapie einmal wöchentlich Herrn Heiner von der Beratungsstelle. Diese Einzelgespräche sind mir sehr wertvoll. Wichtig ist, wach und aufmerksam zu bleiben. Ich möchte auch erwähnen, dass ich immer gebetet habe. Danken möchte ich allen Menschen, die mich begleitet und an mich geglaubt haben. Das hat mir sehr viel Kraft gegeben. Ebenso möchte ich denen danken, die es in die Wege geleitet haben, dass mir geholfen werden konnte. Auch dass ich von den Kolleginnen und Ärzten wieder so gut aufgenommen wurde, war für mich eine große Hilfe, aber nicht selbstverständlich. Umso schöner war es, dass bei dem Treffen, zu dem ich gebeten hatte, alle einverstanden waren, dass ich wieder auf die Station zurückkehre. Ich weiß, dass es nicht leicht für sie war.

Ich möchte allen, die mit dem Alkohol Probleme haben, Mut machen, Hilfe anzunehmen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man behutsam aber auch konsequent geführt wird.
`Nichts kann den Menschen mehr stärken als das Vertrauen, das man ihm entgegenbringt.´ (A. v. Hamak)”

Anonymer Bericht, veröffentlicht in der Mitarbeiterzeitung des Universitätsklinikums Freiburg

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